09. Dezem­ber 2017

Inter­view mit Marc Bis­lin zum The­ma Omni-Chan­nel Mar­ke­ting

Milen­ko Kova­ce­vic behan­del­te in sei­ner Bache­lor-The­sis an der Fach­hoch­schu­le St. Gal­len das The­ma «Imple­men­tie­rung von Digi­tal Signage in eine Omni-Chan­nel Stra­te­gie». Dazu führ­te er ein Inter­view mit Marc Bis­lin, Grün­der point break, durch.

Fol­gend ver­öf­fent­li­chen wir die­ses Inter­view:

Wel­chen Mehr­wert lie­fert Omni-Chan­nel Mar­ke­ting

Omni-Chan­nel Mar­ke­ting lie­fert für Unter­neh­men fol­gen­den Mehr­wert:

-Kon­si­sten­tes, posi­ti­ves Kun­den­er­leb­nis über alle Ver­triebs­ka­nä­le. Der Kun­de hat jeder­zeit die freie Wahl, über wel­chen Kanal er mit dem Unter­neh­men kom­mu­ni­ziert oder Pro­duk­te und Dienst­lei­stun­gen kauft
-Mehr Absatz­chan­cen – Je mehr ver­netz­te Absatz­ka­nä­le, desto höhe­re Absatz­chan­cen. Auch Upsel­ling-Mög­lich­kei­ten wer­den ver­stärkt.
-Mehr Daten – Unter­neh­men kön­nen mehr und bes­se­re Daten agg­re­gie­ren und so eine 360°-Sicht ihrer Kun­den ent­wickeln. Dies hilft, die Kun­den­be­dürf­nis­se noch bes­ser zu anti­zi­pie­ren und nütz­li­che­re Pro­duk­te zu ent­wickeln.
-Mehr Loya­li­tät – Mit einem posi­ti­ven Kun­den­er­leb­nis ent­steht mehr Loya­li­tät und Word-of-Mouth. Durch ein bes­se­res Ver­ständ­nis der Kun­den kann Ver­trau­en geschaf­fen wer­den – dies führt zu mehr Loya­li­tät

Was sind die wich­tig­sten Trends im Omni-Chan­nel Mar­ke­ting?

Omni-Chan­nel Mar­ke­ting führt zu einer pro­fes­sio­nel­len Per­so­na­li­sie­rung, z.B. durch eine indi­vi­du­el­le und bedürf­nis­ori­en­tier­te Ziel­grup­pen­an­spra­che. Zusätz­lich führt das Omni-Chan­nel Mar­ke­ting zu neu­en For­men der Kun­den­in­ter­ak­ti­on. Bei­spiels­wei­se mit der Inte­gra­ti­on von Online-Kun­den­be­ra­tun­gen. Die vir­tu­el­len Bera­tun­gen kön­nen einer­seits durch Live-Chats mit Mit­ar­bei­tern aus Kundendienst/Verkauf, ande­rer­seits aber auch durch Chat-Bots durch­ge­führt wer­den.

Wei­te­re wich­ti­ge Trends sind die The­men Ever­y­whe­re Com­mer­ce und Mobi­le. Im Han­del ver­schwim­men zuneh­mend die Gren­zen zwi­schen den diver­sen Kanä­len. Der Kun­de infor­miert sich online und die gan­ze Welt wird zum Laden – jeder­zeit. Durch Smart­phones wird heu­te jeder Ort zum vir­tu­el­len Ein­kaufs­zen­trum. Der Kon­su­ment ent­schei­det, wann, wie und wo er kauft.

Im Kern des „Ever­y­whe­re Com­mer­ce“ Gedan­ken steht das Kun­den­er­leb­nis, das dem Kun­den kanal­über­grei­fend ein posi­ti­ves und kun­den­ori­en­tier­tes Ein­kaufs­er­leb­nis besche­ren soll. Auch der sta­tio­nä­re Han­del soll zukünf­tig noch stär­ker in die­ses Kon­zept ein­ge­bun­den wer­den – mit dem Ziel, für die Kun­den ein ausser­ge­wöhn­li­ches Ein­kaufs­er­leb­nis zu bie­ten.

Was sind grün­de, dass Unter­neh­men noch kein Omni-Chan­nel Ansatz ver­fol­gen?

Dazu gibt es aus mei­ner Sicht ver­schie­de­ne Grün­de. Einer­seits liegt es viel­fach an einer feh­len­den Stra­te­gie in die­sem Bereich. Omni-Chan­nel basiert auf einer fun­dier­ten Stra­te­gie. Und «Struk­tur folgt Stra­te­gie» – nach der Stra­te­gie­ent­wick­lung muss die Orga­ni­sa­ti­on über­prüft und mög­li­cher­wei­se ange­passt wer­den.

Viel­fach sind Unter­neh­men jedoch orga­ni­sa­to­risch nicht auf Omni-Chan­nel aus­ge­rich­tet. Bei­spiels­wei­se arbei­ten klas­si­sche Retail intern gegen E‑Commerce Abtei­lun­gen und erhal­ten ver­schie­de­ne Ziel­set­zun­gen im Manage­ment. Dies för­dert nicht sel­ten ein «Gärt­chen­den­ken» und ver­hin­dert einen erfolg­rei­chen Omni-Chan­nel Ansatz.

Ein wei­te­rer Grund kann eine nicht auf Omni-Chan­nel aus­ge­rich­te­te IT-Infra­struk­tur sein. Viel­fach exi­stiert noch kein ein­heit­li­ches Daten­man­ge­ment über alle Kanä­le. Eine orga­nisch gewach­se­ne System­land­schaft hat gera­de bei eta­blier­ten Unter­neh­men viel­fach die Fol­ge, dass ein ein­heit­li­ches Daten- und Infor­ma­ti­ons­ma­nage­ment nicht mehr gewähr­lei­stet ist und eine Aus­rich­tung auf Omni-Chan­nel/E­ver­y­whe­re-Com­mer­ce eine gro­sse Inve­sti­ti­on in die IT bedeu­tet. Hier­zu emp­fiehlt sich bei­spiels­wei­se der Auf­bau eines pro­fes­sio­nel­len Pro­dukt­in­for­ma­ti­ons­ma­nage­ment (PIM), wel­ches Pro­duk­te­da­ten zen­tral und medi­en­neu­tral spei­chert und dis­tri­bu­iert. So kön­nen die ver­schie­de­nen Kanä­le effi­zi­ent mit ein­heit­li­chen Daten bespielt wer­den.

Wel­che Bran­chen kön­nen Omni-Chan­nel Mar­ke­ting nut­zen?

Prä­de­sti­niert für Omni-Chan­nel ist natur­ge­mäss die gesam­te Retail-Bran­che. Aller­dings macht der kun­den­zen­trier­te Ansatz des Omni-Chan­nels nicht Halt an einer Bran­chen­gren­ze. Denn die Men­schen bewe­gen sich heu­te auf unter­schied­lich­sten Kanä­len. Grund­sätz­lich ist bereits heu­te der Anspruch der Kun­den, über alle Kanä­le hin­weg kon­si­stent mit einem Unter­neh­men zu kom­mu­ni­zie­ren. Des­halb sehe ich den Omni-Chan­nel Ansatz zukünf­tig auch bei ande­ren Bran­chen, wie bei­spiels­wei­se Auto­mo­bil, Ban­king, Ver­si­che­run­gen, Bau/Handwerk, B2B und Ver­wal­tung (E‑Government).

Wel­che Instru­men­te gibt es, um die ver­schie­de­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le zu ver­bin­den?

Grund­sätz­lich müs­sen Kanä­le in irgend­ei­ner Form digi­ta­li­siert wer­den um eine auto­ma­ti­sier­te und effi­zi­en­te Ver­bin­dung der Kanä­le zu gewähr­lei­sten.

Die Ver­bin­dung von digi­ta­len Kanä­len wie Web­site, Online-Shop, Social Media, Such­ma­schi­nen oder News­let­ter erfolgt durch eine Ver­knüp­fung der Daten in ein­heit­li­chen Track­ing- und Ana­ly­tics Syste­men. Zusätz­lich sorgt ein ERP-System für eine Ver­ein­heit­li­chung der Pro­duk­te- und Kun­den­in­for­ma­tio­nen.

Beim Point-of-Sale (POS) kön­nen bei­spiels­wei­se Tablets über Kun­den­lo­gin dem Nut­zer direkt die von ihm online aus­ge­wähl­ten Pro­duk­te anzei­gen und zur Ver­fü­gung stel­len. Auch die­se Daten soll­ten über das ein­heit­li­che ERP-System ver­wal­tet wer­den.

Bei Kanä­len wie Out-of-Home oder TV gibt es eben­falls Mög­lich­kei­ten, die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le so mit­ein­an­der zu ver­bin­den, so dass eine per­so­na­li­sier­te und kon­si­sten­te Kom­mu­ni­ka­ti­on ermög­licht wird. Zum Bei­spiel wird es mit digi­ta­len und ver­netz­ten Dis­plays bei Digi­tal Signage oder per­so­na­li­sier­ter Wer­bung im TV mög­lich wer­den, ziel­grup­pen­re­le­van­te Bot­schaf­ten zu kom­mu­ni­zie­ren.

Wel­che davon wer­den am häu­fig­sten ein­ge­setzt?

Die meist fort­ge­schrit­te­nen Kanä­le im Bereich des Data-Dri­ven-Mar­ke­ting sind ganz klar die Online-Kanä­le. Grund dafür ist, dass dort bereits zu mit über­schau­ba­rem Auf­wand die Kanä­le unter­ein­an­der ver­bin­det wer­den kön­nen um so die Kom­mu­ni­ka­ti­on mög­lichst ziel­grup­pen­ge­recht zu betrei­ben. Aller­dings gibt es gera­de bei den Online-Kanä­len noch viel Opti­mie­rungs­be­darf.

Die wei­te­ren Kanä­le wie TV, POS, OOH, etc. sind da noch in einer frü­he­ren Pha­se und digi­ta­li­sie­ren sich teil­wei­se erst heu­te. Das benö­tigt Zeit und Inve­sti­tio­nen. Ich bin jedoch über­zeugt, dass sich auch die­se Kanä­le wei­ter in Rich­tung «Smart Data & Per­so­na­li­sie­rung» ent­wickeln wer­den.

Wie wird der Mar­ke­tin­g­er­folg von Aussen­wer­bung gemes­sen?

Mei­ner Mei­nung nach wird Aussen­wer­bung in den näch­sten Jah­ren eine gro­sse Ver­än­de­rung durch­le­ben. Bis anhin wur­de Out-of-Home als rei­ner Reich­wei­ten­ka­nal ein­ge­setzt und die Mög­lich­kei­ten der Ziel­grup­pen-Aus­rich­tung beschränkt.

Zukünf­tig könn­te sich das ändern. Grund dafür sind digi­ta­li­sier­te Out of Home Plat­zie­run­gen – kom­bi­niert mit inno­va­ti­ver Tech­no­lo­gie. Bei­spiel: Advert­ima, ein Start­up aus St.Gallen ent­wickelt eine inno­va­ti­ve Tech­no­lo­gie, dass «Pla­ka­te» intel­li­gent wer­den lässt. Das heisst, digi­ta­le Out-of-Home Tech­no­lo­gie erkennt, wer vor dem Pla­kat steht. Dies führt dazu, dass Out-of-Home Wer­bung künf­tig viel ziel­ge­rich­te­ter und inter­ak­ti­ons­ba­sier­ter (z.B. Gami­fi­ca­ti­on) ein­ge­setzt wer­den kann. Eben­so ent­steht ein gro­sser Frei­raum im Bereich der Krea­ti­on, wo man die­se Art von Per­so­na­li­sie­rung cle­ver für sich nut­zen kann.

Dies führt dazu, dass neben den klas­si­schen Reich­wei­ten­wer­ten künf­tig auch «Con­ver­si­ons» oder «Inter­ak­tio­nen» gemes­sen wer­den.

Wie häu­fig die­se KPI’S über­prüft wer­den?

Die KPIs soll­ten sehr regel­mä­ssig über­prüft und beur­teilt wer­den – auch wäh­rend der Kam­pa­gne. Ich ver­glei­che dies mit einer Online-Kam­pa­gne. Dort wer­den schon heu­te Wer­be­mit­tel dyna­misch auf Grund der Lei­stungs­wer­te ange­passt. War­um soll das auch nicht in der Aussen­wer­bung oder im TV pas­sie­ren?

Was sind die gröss­ten Her­aus­for­de­run­gen beim imple­men­tie­ren von neu­en kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­len?

Die gröss­te Effi­zi­enz her­aus­zu­ho­len! Vie­le neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le ent­ste­hen – alte Kanä­le gehen aber nicht zwangs­wei­se gleich schnell ver­lo­ren – das heisst, es ent­ste­hen zusätz­li­che Kanä­le. Dies erfor­dert von den Unter­neh­men, die Pro­zes­se beim Manage­ment der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le effi­zi­ent zu hal­ten, so dass auch wirk­lich ein Mehr­wert ent­steht.